Montag, 2. Februar 2015

Rezension zu "Ich fürchte mich nicht" von Tahereh Mafi

Ein toller Auftakt einer Dystopie, die mit der Sprache spielt wie keine zweite

 

Zum Inhalt:
Ich fürchte mich nicht ist der Auftakt der gleichnamigen Trilogie. Juliette ist ihr Leben lang eine Außenseiterin. Von den eigenen Eltern verstoßen, von keinem gemocht, verbrachte sie ihr bisheriges Leben in verschiedenen Anstalten bis sie schließlich im Irrenhaus landet. Seit einem Jahr ist sie hier gefangen. Keiner spricht mit ihr, sie sieht niemanden - und dass nur, weil jeder der sie anfasst sterben könnte. Denn Juliette kann niemanden berühren, ohne ihm schreckliche Schmerzen zuzufügen. Juliette glaubt sich allein in dieser Welt, in der es kaum noch Nahrung, Tiere oder Pflanzen gibt, geschweige denn Luft. Bis sie eines Tages einen neuen Zellengenossen bekommt - Adam. Doch für Juliette ist es ein Schock. Denn sie kennt Adam von früher...

Meine Meinung:
Schon bevor ich Ich fürchte mich nicht begann, wusste ich, dass das Buch hauptsächlich wegen seiner Sprache gelobt wird. Zuerst war das für mich etwas unverständlich. Doch dann begann ich zu lesen - und wurde in den Sog des Buches gezogen.
Seit langem konnte mich kein Buch so begeistern wie Ich fürchte mich nicht. Wie die Autorin mit der Sprache spielt, ist einfach unglaublich. Manchmal scheint es tatsächlich so, als würde die Welt nur für Juliettes Gedanken für kurze Zeit angehalten werden. Dadurch entsteht eine regelrechte Verbildlichung der Dinge, die Juliette beschreibt und die Juliette selbst umgeben und ermöglicht dem Leser einen genauen Einblick in Juliettes Sicht der Dinge sowie eine gewisse Nähe zu der Protagonistin.

Zwar wird die Handlung schon aus Juliettes Sicht erzählt, so dass man sich ihr schon sehr nah fühlt, dennoch hilft die verwendete Sprache dem Leser Juliette noch ein bisschen besser zu verstehen. Auch dass die Geschichte im Präsens geschrieben ist, ist hier sehr von Vorteil. Man wird direkt in die Geschichte hinein katapultiert - in medias res also - so dass man gar nicht anders kann, als sich von der Handlung gefangen nehmen zu lassen. Generell fand ich, dass am Anfang des Romans immer wieder Fragen auftraten: Warum genau ist Juliette in dieser Anstalt (was ja später auch geklärt wird durch ihre "Gabe")? Was passierte mit ihren Eltern? Was ist in der Welt da draußen genau los? Da man nur einen kleinen Einblick in diese Fragen erhält - sie also nicht genau von Juliette beantwortet werden können, da sie darüber selbst nichts weiß - motiviert es den Leser regelrecht die Geschichte weiterzulesen und hinter diese Antworten zu kommen.

Was mir auch noch beim Schreibstil aufgefallen ist, ist, dass die Autorin viele Kommata weglässt, einige Zeilensprünge einbaut und zudem auch einige von Juliettes Gedanken "durchstreicht". Dadurch wird dieser Bewusstseinsstrom, der immer wieder von Juliete Besitz zu ergreifen scheint, besonders deutlich und zeigt dem Leser auch, was Juliette eigentlich nicht denken will, es aber trotzdem tut.

Im Laufe der Geschichte werden die "durchgestrichenen" Gedanken immer weniger, bis sie schließlich ganz aufhören. Das zeugt von Juliettes Entwicklung, die sie im Laufe des Buches durchmacht. Dass diese Entwicklung an einigen Stellen ein bisschen zu plötzlich erfolgte, finde ich nicht sonderlich erwähnenswert. Das kann immer mal wieder passieren, besonders bei einem Erstlingswerk. Aber ich fand Juliettes Charakteraufbau logisch und nachvollziehbar und nicht so sonderlich vorhersehbar, wie einige vielleicht meinen. Selbst wenn du durch die Gesellschaft gebrochen bist, weil sie dich einsperrt, heißt das noch lange nicht, dass du keine neue Hoffnung finden kannst. Daher würde ich das auch nicht weiter bemängeln.
Auch Adam hat mir sehr gut gefallen. Zwar lernt man ihn nicht so haargenau wie Juliette kennen, aber trotzdem weckt er das Interesse des Lesers, so dass man eigentlich gar nicht anders kann als ihn zu mögen. Dass er zusätzlich noch eine Person ist, die Juliette von früher kennt, lässt die Sympathie für ihn nochmals steigen. Man wird also von der Autorin praktisch dazu gezwungen, Adam zu mögen, was ich aber nicht sonderlich tragisch finde, da Adam ein sehr verträglicher männlicher Protagonist zu sein scheint. Ich bin gespannt, wie sich das mit ihm und Juliette weiterentwickeln wird.

Ich möchte jetzt noch kurz etwas zur Entwicklung und den Spannungsmomenten der Geschichte sagen. Ich fand das Buch wirklich an keiner Stelle zu langweilig oder zu langatmig; immer wieder schien etwas neues zu passieren, das den Leser weckte bevor er überhaupt einschlafen konnte. Ich habe lange überlegt, ob es eine Stelle in dem Buch gab, die mir nicht so gefallen hätte oder sogar langweilig für mich gewesen war. Das zeugt auch von dem Talent der Autorin, den Leser nicht nur durch die Sprache mitzureißen, sondern auch durch die Handlung im Allgemeinen. Ich bin sehr neugierig, wie die weiteren beiden Bände gestaltet sind und freue mich schon auf Rette mich vor dir.

Fazit:
Ich fürchte mich nicht ist ein Buch, das mich von der ersten Sekunde an mitgerissen hat - und dieses Mitreißende verschwindet während der gesamten 317 Seiten nicht ein einziges Mal. Die actionreiche Handlung zieht den Leser mit und beschäftigt ihn auch noch nach Beendigung des Buches. Die Sprache ist wohl am eindrucksvollsten in Ich fürchte mich nicht und durch Juliettes häufiger auftretende Bewusstseinsströme wird dem Leser klar, wer Juliette ist und welche "Gabe" sie hat. Ich habe noch nie ein Buch gelesen, das so toll mit der Sprache spielen konnte wie diese Dystopie. Die anderen beiden Teile der Trilogie, sowie die beiden Kurzgeschichten werde ich auch noch lesen. Ich fürchte mich nicht bekommt aber erstmal wohlverdiente 5 Sterne von mir.  

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Allgemeine Infos zum Buch
Erscheinungsdatum Erstausgabe : 19.07.2012
Aktuelle Ausgabe : 21.07.2014
Verlag : Goldmann
ISBN: 9783442478491
Flexibler Einband: 336 Seiten
Sprache: Deutsch

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